"Ich weiß, wer du bist."

Monika Neve: Sie sagen von sich und beschreiben es faktisch in ihrem Werk, dass Sie geistig forschen und lehren können - aber man interessiert sich offenbar wenig dafür. Ist das nicht ein biss­chen bitter?

Willi Seiß: Ja, ich kann nicht sagen, dass es für mich bitter ist. Man muss ja die Menschen freilassen. Aber sie bauen sich etwas in das Schicksal, und darüber müssen sie sich Rechenschaft ablegen. Denn der Weg von Rudolf Steiner ist ja nicht ein abgeschlossener Weg. Er geht ja mit seinem Erdenabschied weiter. Und da gibt es ein Phänomen: Wenn Menschen sterben, dann habe ich ganz unmittelbar von ihnen die Möglichkeit, Einblicke in ihre Erlebnisse ins Nachtodliche zu bekommen, auch von Päpsten. Das ist außergewöhnlich interessant, was ich von einem Papst diesbezüglich erfahren habe, seine Erfahrungen in der geistigen Welt und den Rückblick hier auf die irdische Welt.

Monika Neve: Möchten Sie das genauer sagen?

Willi Seiß: Das wäre ein Thema für sich, was ich wahrscheinlich auch nicht, mit Rücksicht auf diese ganze Institution, aufgreifen möchte. Dann müsste ich eine ganze Reihe von Aussagen über Päpste bringen, auch über den jetzigen. - Das könnte man machen, - aber: für wen wäre das interessant?

Monika Neve: Für wen war interessant, was Rudolf Steiner damals über führende bzw. zu seinen Lebzeiten gerade kurz verstorbene Menschen sagte? Warum hat Rudolf Steiner die Inkarnation des 1924 gestorbenen Woodrow Wilson. offengelegt? Doch sicherlich, um darauf aufmerksam zu machen, wie manche Impulse aus der Vergangenheit, wenn sie nicht verwandelt werden konnten, auch in der Gegenwart noch gefährlich werden können u.a.m. Oder: um wie bei Erich Haeckel, tief ihm ja bekannt war, einen bestimmten charakteristischen Zug aufzuzeigen, obwohl zwischen einem Papstleben und dein eines das Papsttum verdammenden Naturforschers doch ziemliche Abgründe zu sein scheinen …

Willi Seiß: Sehen Sie, als Urs von Balthasar gestorben war - der ja wenige Tage, bevor er eigentlich Kardinal geworden wäre, den Erdenabschied genommen hat -, bekam ich einen sehr guten, sehr klaren Kontakt. Und da hat er mich von seiner Kenntnis über die Wesenheit und Wirkungsweise von Rudolf Steiner in der geistigen Welt unterrichtet. Denn man muss ja sehen, dieser Mann war hochspirituell. Er war ziemlich lange Jesuit, hat das auch praktiziert, ist auch in seinen geistigen Erkenntnissen - durch seine Lauterkeit - weit gekommen. Und dann hat er mir eine Mitteilung über die Begegnung im Nachtodlichen mit Rudolf Steiner gemacht. Darum weiß ich hier, dass diejenigen, die noch auf Erden gegen Rudolf Steiner stehen, im Nachtodlichen sich korrigieren müssen. Und sie korrigieren sich. Und was wir befürchten, die Vereinnahmung der Anthroposophie in die Katholische Kirche, das wird nicht so ohne weiteres möglich sein. Aber viel wichtiger ist, dass die Dinge im geistigen Bereich weitergehen, und da gehen sie weiter. Auch mit den katholischen Okkultisten und Steiner zusammen. Steiner ist ein Lehrer für alle Okkultisten, nicht nur für die, die hier die Werke lesen von ihm.

Monika Neve: Ähnlich hat sich ja auch Stylianos Anheshli, der inzwischen verstorbene „Daskalos" von Zypern, geäußert.

Willi Seiß: Das ist mir nicht bekannt. Tomberg z. B. sagt, als Rudolf Steiner starb, hat man das in Russland bei den dortigen Okkultisten wahrgenommen und das auch ausgesprochen, dass Rudolf Steiner sich jetzt zurückgezogen hat. - Und da hat Urs von Balthasar auch etwas Persönliches über mich sagt, indem er einen Weg von mir ganz kurz angedeutet hat und eine Inkarnation genannt, die ich schon seit vielen Jahren kenne, ich habe sie vorhin [im privaten Teil des Gesprächs, nicht aufgezeichnet. MN] angesprochen, die Templerinkarnation. So gesehen macht man in Dornach - ich kann nicht sagen, einen Fehler, sondern man nimmt etwas nicht zur Kenntnis, was auch entgegen den Schulungsgesetzen ist, nämlich dass man mit einer gewissen Unbefangenheit, mit einer gewissen Positivität zur Kenntnis nehmen sollte, was um einen herum geschieht, nicht? Das ist immer die Frage des Erwachens am anderen Menschen.