Hermetismus

Download (PDF, 107 kB)

Was ist Hermetismus?

… der Hermetismus ist nur für solche Menschen klar erkennbar, die für das Verborgene offen sind. Er entzieht sich einem „bequemen“ Zugriff, solange man nicht gewillt ist, sich auf sein eigentliches Wesen einzulassen.

… Die Wurzeln des Hermetismus liegen im alten Ägypten. Von diesen Anfängen wissen wir über die offizielle Geschichtsschreibung sehr wenig. Bekannte „hermetische“ Traktate – wie z.B. die des „Corpus Hermeticum“ – behandeln theologische und philosophische Fragestellungen, wie z.B. die Wiedergeburt und Vergöttlichung der Menschen durch Kenntnis von einem transzendenten Gott. Die philosophische Orientierung dieser Traktate ist jedoch nicht mehr ägyptisch, sondern griechisch. Die Griechen sahen eine enge Verbindung zwischen Hermes und dem ägyptischen Gott Thot.

… HERMES lehrte: insoweit der Mensch seine Kräfte auf der Erde dazu verwendet, um in dieser nach den Absichten der geistigen Mächte zu wirken, macht er sich fähig, nach dem Tode mit diesen Mächten vereinigt zu sein“ (Rudolf Steiner, „Geheimwissenschaft im Umriss“ GA 13, S. 284).

… Der Impuls der altägyptischen Hermetik liegt also „oben“, wobei die Seelen „unten“ lernen sollen, sich in Analogie des „Oben“ so zu formen, dass sie sich schließlich wieder mit dem „Oben“ verbinden könnten.

… HERMES konnte diese Analogie von „Oben“ und „Unten“ lehren, weil er sowohl die Welt „oben“ als auch die Welt „unten“, sowie drittens auch die Relation beider zueinander wahrzunehmen fähig war.

***

… Die Schüler des großen HERMES hatten ihre seelischen Kräfte des Denken, Fühlen und Wollens auf der Erde so zu läutern und zu gestalten, dass sie sich nach dem Tode mit dem Sonnenwesen vereinigen zu können. Dieses Sonnenwesen ist jedoch während der Ereignisse der Zeitenwende aus dem Sonnenreich herabgestiegen und hat sich mit der Erde verbunden.

… Jetzt, da die „größte aller lebendigen Analogien von Oben und Unten“ in unserer Mitte lebt, kann die Seele schon in der Zeit zwischen Geburt und Tod darauf hinarbeiten, sich – hier auf der Erde – mit dem erhabenen Sonnenwesen zu vereinigen. Das Ziel des modernen christlichen Hermetismus ist es daher, hier auf der Erde einen lebendigen Bezug zu derjenigen Inspirationsgemeinschaft aufzubauen, die um das Zentrum dieser Ich-Bin-Wesenheit wirkt.

***

… Der lebendige hermetische Strom wird den Schüler aber berühren und durch das Leben leiten, indem er ihn zu den für sein individuelles Leben notwendigen Erkenntnissen und Ereignissen führt.

… Valentin Tomberg nennt diese hermetische Offenheit und Empfänglichkeit im Willen auch GLAUBEN, durch den ein Schüler fähig wird, von Intuitionen berührt zu werden:

… „Er [der Hermetismus] lebt nur von der Intuition und ist ohne sie tot. Und diese tote Angelegenheit erkannten die Vertreter des Glaubens und der Wissenschaft, die aufrichtig staunten, dass es Leute gibt, die sie ernst nehmen. Sie sahen darin nur wissenschaftliches und religiöses Flittergold – oder höchstens einen schwachen Glauben, der sich Krücken von der Wissenschaft leiht, oder auch eine kindliche Wissenschaft, die noch nicht die Unterscheidung gelernt hat zwischen dem, was man glaubt und dem, was man weiß. Und sie täuschen sich nicht: der Hermetismus ist ohne den unsichtbaren Zement der Intuition in der Tat nur eine improvisierte Zusammenfügung heterogener Elemente der Wissenschaft und der Religion.“ (19. Brief „Die Sonne“; „Meditationen über die Großen Arcana des Taro“, Meisenheim am Glan, S. 430)

***

… Weil die reale Tat und die ihr vorangehende Intuition in der Hermetik so bedeutsam sind, ist die Darstellungsform hermetischer Inhalte primär symbolisch.

… „Im Grunde sind es [d.h. die 22 Großen Arcana des Taro] zweiundzwanzig geistige Übungen, mittels derer Sie, lieber unbekannter Freund, sich in den Strom der lebendigen Tradition versenken und damit eintreten können in die Gemeinschaft der Geister, die ihm gedient haben, und die ihm dienen.“ („Meditationen über die Großen Arcana des Taro“, Meisenheim am Glan, „Vorwort“)

… Die Bilder und Erläuterungen des Taro sind daher keine Lehren, die es zu lernen, zu bezeugen oder zu zitieren gilt, sondern der Organismus der 22 Arcana bietet eine Führung unmittelbar zu den rosenkreuzerischen Quellen der Weisheit selbst. Tomberg schreibt:

„Die Symbole sind also keine Instrumente des Gedankens, sondern vielmehr seine Führer und seine aktiven Meister, ganz wie das ‚Symbol des Glaubens’, das christliche Credo, kein Instrument des Gedankens ist, sondern vielmehr eine Sternenkonstellation hoch über dem Haupte“ (16. Brief „Das Gott-Haus“; „Meditationen über die Großen Arcana des Taro“, Meisenheim am Glan, S. 363).

***

… Wozu führt den Schüler die „Sternenkonstellation der Arcana“?
 
„Es genügt auf folgende Analogie hinzuweisen: es war nicht das Stroh der Krippe, noch waren es die Tiere, die sich dort anwesend fanden, die die Magier aus dem Morgenland führten und das Kind finden ließen, sondern vielmehr der Stern am Himmel. Ebenso wird man im Hermetismus nur Stroh und die Tiere finden, wenn man nicht von seinem Stern geführt wird, der nur in der Intuition besteht“ (19. Brief „Die Sonne“; „Meditationen über die Großen Arcana des Taro“, Meisenheim am Glan, S. 430-431).

… Die Verbindung des von Bewusstsein durchdrungenen Seelischen und der sich im Physischen abdrückenden Ereignisse des Lebens vollzieht sich also in dem dazwischen liegenden Ätherischen. Nach dem sonnenhaften Gestalten des Astralleibes, der innere Führung durch die Teilnahme am lebendigen Strom des Hermetismus und den Lektionen des äußeren Lebens besteht das Ziel der hermetischen Bemühungen darin, eine umfassende Beziehung zu dem sonnenhaft durchstrahlten ätherischen Leben zu finden. Der Hermetismus lehrt jedoch keine festgelegten Vorstellungen über dieses bewusstseinsklare Leben, er lehrt die vielschichtige, unmittelbare und lebendige Erfahrung.

Aus: Was ist Hermetismus? Eine Untersuchung der christlichen Hermetik Valentin Tombergs im Licht der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners, Dr. Sebastian Niklaus, Achamoth Verlag 2008. Auch als Buch erhältlich!

Download (PDF, 107 kB)