Tombergs Leben in seinen eigenen Worten

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Tomberg über seine Aufnahme in Dornach
Aus einem Brief an Marie Steiner, 12. Januar 1934

... „So ließ ich die erste ,Betrachtung’ (,Anthroposophische Betrachtungen zum Alten Testament’, Schönach 1984), ohne Arges zu erwarten, auch allen Persönlichkeiten in Dornach zusenden, die ich persönlich kannte, u. a. auch Dr. Boos. Die Aufnahme, die dieses Heft in Dornach gefunden hat, war für mich ein wahrlich unerwartete. Sie äußerte sich am krassesten in der Tatsache des Erscheinens eines Artikels von Dr. Boos in der ersten Nummer des ,Mitteilungsblattes’, der einen Überfall namentlich auf meine Persönlichkeit darstellt. Dieser Artikel wurde von Herrn Steffen angenommen, von ihm durch kein Wort gemildert, geschweige denn widerrufen.

Nun enthält aber dieser Artikel eine Entstellung dessen was in der ,Betrachtung’ tatsächlich gesagt worden ist. Diese Entstellung besteht darin, daß Dr. Boos die brutale Unwahrheit dort herausgelesen zu haben glaubt, daß ich Rudolf Steiner begraben habe und mich selber statt seiner setze. Was ist aber in der ,Betrachtung’ tatsächlich gesagt worden? Da ist gesagt worden, daß der Verfasser ebensoviel Rudolf Steiner, und nur ihm allein, verdankt, wie der menschliche Körper der Luft verdankt. Ferner ist dort gesagt, daß bei der Befolgung des Weges, den Rudolf Steiner gezeigt hat, alles sich als Wahrheit erweist, was Rudolf Steiner gesagt hat – auch die Tatsache, daß wenn jemand es auch soweit bringen würde, daß er die Stufe erreicht hätte, wo persönliche Anweisung aus demjenigen Teil des okkulten Wissens, welches nicht veröffentlich werden konnte, notwendig sich erweisen sollte, daß dieses Notwendige ihm immer gesichert sei…

 … Wir haben somit allen Grund zu wissen, daß wir auch auf dem physischen Plan nie uns verlassen zu sein glauben dürfen.

Ferner ist dort gesagt, daß Erkenntnismutlosigkeit, die sich immer mehr in der Anthroposophischen Gesellschaft als die Folge der katholischen Einstellung einer einmaligen Offenbarung während der Zeit 1901-1925, zu der nichts hinzukommen kann, eine ertötende Wirkung auf das Leben der Gesellschaft ausübt, und eine Gefahr darstellt. Wir haben, ist es gesagt, eine Zukunft, auch im Sinne von Erkenntniszustrom (Auch dieses kann absolut sicher durch Rudolf Steiner begründet werden – spricht er doch in den ,Karmischen Zusammenhängen’ über die ,Chartres-Lehrer’, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erscheinen werden, usw.)

Dieses sind die Gedanken, wie sie in der ,Betrachtung’ gemeint sind, die aber Dr. Boos auf so unverantwortliche Weise interpretiert hat. (Auf das Sachliche der Arbeit an der Bibel ist er aber überhaupt nicht eingegangen.)

Als ich diesen Angriffsartikel las, so fragte ich mich: Woher dieser Haß? Warum dieser Verdrehung der Gedanken? Und als ich aber erfuhr, daß Dr. Boos nicht allein ist, der am Goetheanum diese Arbeit so beurteilt, so fragte ich mich, ist es nicht besser, die Arbeit sofort einzustellen, damit diese vergiftende Welle in der Gesellschaft sich nicht verbreite? Haben wir schon nicht genug Unfriede gehabt?

Meine erste Regung war also, das Erscheinen der ,Betrachtungen’ überhaupt einzustellen. Aber ich fragte mich ferner: ist in der ,Betrachtung’ auch ein Wort, auch ein Gedanke, der nicht wahr ist? Wofür nicht ich selbst, nach siebzehnjähriger, strenger Arbeit, mit meinem ganzen Gewissen verantworten könnte? Noch mehr: ist da auch ein Gedanke, der nicht begründet werden könnte durch dasjenige, was Rudolf Steiner mitgeteilt hat? Und ich musste doch mir sagen: alles ist wahr, du hast nichts zurückzunehmen, und wenn die Menschen, die es übel nehmen, bloß sich fragen würden: inwiefern ist es wahr und begründet auf Rudolf Steiner? Statt zu fragen, wie sie es getan haben: inwiefern ist es falsch und im Gegensatz zu Rudolf Steiner? – so würden sie auch leicht einsehen können, daß es wahr ist, was dort gesagt ist.

Infolge dieser Tatsache bin ich zu der Entdeckung gekommen, daß man die Arbeit von Anfang an nicht wohlwollend in Dornach aufgenommen hat, denn man hat alles ins Negative umzudeuten gewünscht, was eben ohne diesen Wunsch, klar und positiv verstanden werden könnte.“…

(Seiß, W., Der Kampf gegen Val. Tomberg, Briefwechsel V. Tomberg-M. Steiner, Schönach 1999 S. A19.1/2)

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