Was ist Hermetismus?

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Eine Untersuchung der christlichen Hermetik Valentin Tombergs
im Licht der Initiationswissenschaft Rudolf Steiners

Sebastian Niklaus


I. Der lebendige Strom hermetischer Tradition

Jeder kennt die zentrale Wahrheit des Hermetismus:

   „Was oben ist, ist wie unten, und was unten ist, ist wie oben“.

    (aus der „Tabula Smaragdina“)

Was ist aber die charakteristische Eigenart des Hermetismus?

Diese Frage ist gar nicht leicht zu beantworten. Einerseits liegt das daran, dass viele Vorurteile dem Hermetismus gegenüber kursieren, die teilweise sogar berechtigt sind (denn verschiedene Missverständnisse haben tatsächlich eine ganze Reihe schillernder Gestalten hervorgebracht); andererseits gibt es aber auch sachliche Schwierigkeiten, denn der Hermetismus ist nur für solche Menschen klar erkennbar, die für das Verborgene offen sind. Er entzieht sich einem „bequemen“ Zugriff, solange man nicht gewillt ist, sich auf sein eigentliches Wesen einzulassen.

Die Wurzeln des Hermetismus liegen im alten Ägypten. Von diesen Anfängen wissen wir über die offizielle Geschichtsschreibung sehr wenig. Bekannte „hermetische“ Traktate – wie z.B. die des „Corpus Hermeticum“ – behandeln theologische und philosophische Fragestellungen, wie z.B. die Wiedergeburt und Vergöttlichung der Menschen durch Kenntnis von einem transzendenten Gott. Die philosophische Orientierung dieser Traktate ist jedoch nicht mehr ägyptisch, sondern griechisch. Die Griechen sahen eine enge Verbindung zwischen Hermes und dem ägyptischen Gott Thot.

Von Rudolf Steiner wissen wir, dass für die Menschen im alten Ägypten die instinktive, natürliche Verbindung zur geistigen Welt nur noch in ihren letzten Resten vorhanden war. Die Menschen hatten auf der anderen Seite aber schon die Fähigkeiten, die Keime des heranreifenden Verstandes auf die äußere Welt zu richten. In diesen Verhältnissen des Menschen zur physisch-sinnlichen und zur geistigen Welt liegt der Ursprung unserer modernen Kultur die – insbesondere über Griechenland – nach Europa getragen wurde. Rudolf Steiner erläutert das folgendermaßen:

„Dadurch, dass aus der physisch-sinnlichen Welt die Gesetze des hinter ihr stehenden Geistigen erforscht wurden, entstanden die menschlichen Wissenschaften; dadurch, dass die Kräfte dieser Welt erkannt und verarbeitet wurde, die menschliche Technik, die künstlerische Arbeit und deren Werkzeuge und Mittel“ („Geheimwissenschaft im Umriss“ GA 13, S. 283).