Brief zur Hochschulfrage

Zum Problem der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum


An eine interessierte Leserschaft

Es steht außer Zweifel, daß eine Gesellschaft wie die Anthroposophische sich mit einer geordneten Rechtsstruktur der Öffentlichkeit repräsentieren muß. Hierzu liegt eine nicht unerhebliche Anzahl von Untersuchungen und Vorschlägen aus der Mitgliedschaft der Gesellschaft vor, um dem derzeitigen Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft zur Urteilsbildung und zur Entscheidung in seinen verpflichtenden Handlungen behilflich zu sein.

Anders steht es mit der Freien Hochschule. Diese hat ihr Leben aus der geistigen Wahrnehmung und aus den weiteren Offenbarungen, wie diese durch Rudolf Steiner gegeben worden sind. Solche Offenbarungen und die konkrete Verbindung zur Individualität von Rudolf Steiner sind seit seinem Erdenabschied – wohl mit geringen Ausnahmen – versiegt. Sie traten erneut Jahre vor dem Ende des 20. Jahrhunderts auf; allerdings waren Mitteilungen von Rudolf Steiner in geistiger Form oder in Einsprachen vom jeweils erworbenen Bewußtseins­zustand und den entwickelten Fähigkeiten des Empfängers aus der durch ihn gegebenen Schulung abhängig, in welcher Form und Tiefe, oder aber in einer systematischen Arbeit, seine Hinweise gegeben werden konnten.

Als Schreiber dieser Zeilen weise ich darauf hin, daß nicht die Anthroposophie als solche einer Erneuerung bedarf, vielmehr sind es die Mitglieder dieser Gesellschaft, die gefordert sind, Rudolf Steiners grund­legende Hinweise in Bezug auf die Selbsterkenntnis und die Realisierung dessen, was zur Läuterung der menschlichen Seelenfähigkeit gehörend ist, aufzugreifen, um auf dieser Basis die von Rudolf Steiner so oft ange­sprochene übersinnliche Organisation des Menschen auszugestalten.

Was auf diesem Wege dem Unterzeichner vollbewußt, insbesondere durch Rudolf Steiner, geistig mitgeteilt wurde, was in der Form zum Teil umfassender und in vertiefenden Hinweisen über die Entwicklung der menschliche Seelenfähigkeiten mir gegeben wurde, liegt in noch nicht abgeschlossener Form seit Jahren in meinem Chakra-Werk vor. Der gesamte Aufbau als Loseblattsammlung beruht auf dem Vorschlag bzw. Rat von Rudolf Steiner, um eine Fortführung und Vertiefung seiner begonnenen esoterischen Schule zu ermöglichen, je nachdem man seine Fähigkeiten zum geistigen Hören und zum intuitiven Umgang mit den Wesen der geistigen Welt ausgebildet hat. In diesem, dem Chakra-Werk, ist es nicht nur Rudolf Steiner, der diese Inhalte gegeben hat. Es wirken in Verbindung zu ihm auch hier noch nicht zu nennende Individualitäten aus dem in „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ bezeichneten übersinnlichen Raum mit.

Die Freie Hochschule am Bodensee (FHaB) ist eine Initiative, die auf eine geistige Frage von Rudolf Steiner an mich zurück zu führen ist. Es wurde gefragt, ob ich bereit wäre, seine in einer bestimmten Regelmäßigkeit aufzunehmenden Mitteilungen über geistige Gesetzmäßigkeiten niederzulegen, um diese zu einem von ihm zu bestimmenden Zeit­punkt zu veröffentlichen. Dieser war ab 1992.

In einem Themenverzeichnis bis zur 30. Serie sind alle diesbezüglichen Benennungen ausschließlich von Rudolf Steiner stammend, der gegenwärtig als Meister Jesu angesprochen wird.

Dieser informative Brief steht Ihnen inhaltlich zur freien Verfügung. Es ist in Ihrem Ermessen, ob Sie der Ansicht sind, die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach müsse einem Verwaltungsorgan untergeordnet werden, oder ob Sie den individuellen Schulungsweg so zu akzeptieren vermögen, wie dieser von Rudolf Steiner vorgegeben wurde.

Der Vollständigkeit halber bitte ich davon Kenntnis zu nehmen, daß auch die Individualität von Valentin Tomberg in nahezu ständigem geistigen Kontakt zu Rudolf Steiner gestanden hat, wie er auch durch diesen den Auftrag erhielt, innerhalb der römischen Kirche aus bestimmten Gründen zu wirken. Diese Mission ist mißlungen. Sein zweitletztes Werk, „Meditationen über die Großen Arcana des Taro“, ist als Verbindung des Hermetismus mit dem Christentum zu sehen. Es handelt sich um ein hermetisches, nicht um ein katholisches Werk, wenn auch von katholischen Anthroposophen und von führenden Katholiken der römischen Kirche die Inhalte des Taro von Tomberg als eine Möglichkeit angesehen werden, um ihre Kirche mit vertiefter Spiritualität zu beleben.

Es scheint so zu sein, daß die gegenwärtige Zusammensetzung des Vorstandes am Goetheanum weder in der Lage noch bereit ist, geistige Realitäten zu sehen, zu bewerten und anzuerkennen, allerdings Anspruch darauf erhebt, hier reglementierend zu wirken. Aus der Sicht der Lebenswirklichkeit und der geistigen Schu­lung fehlt es dort an allem. Es wäre wünschenswert, wenn Möglichkeiten geschaffen werden könnten, weitere selbständige, von den Absichten des Vorstandes am Goetheanum unabhängige Freie Hochschulen zu gründen. Eine kooperative Zusammenarbeit könnte durchaus in einem solchen Rahmen angestrebt werden*.

Willi Seiß

Freie Hochschule am Bodensee (FHaB)

* Siehe zu diesem Problem auch die Schrift des Verfassers: Okkulte Erkenntnisse über die Anthroposophische ‚Bewegung'“, Achamoth Verlag, Bodensee 2004